113 Architektur Fragen – Welche Vorgaben hinsichtlich des Erscheinungsbildes kann die Baubehörde vorschreiben?
Welche Vorgaben hinsichtlich des Erscheinungsbilds kann die Baubehörde vorschreiben? (Autor: Andreas Hawlik)
Grundsätzlich schreibt die Baubehörde keine Regeln zum Ortsbild vor, sondern überwacht deren Einhaltung. Das beabsichtigte Ortsbild wird in den Bebauungsbestimmungen festgeschrieben und manchmal gibt es noch ergänzende Leitbilder oder Satzungen. In diesen Dokumenten wird festgelegt, welche optischen Eigenschaften ein geplantes Gebäude aufweisen muss, um sich in das bestehende oder beabsichtigte Ortsbild einzufügen.
Wesentliche Merkmale, wie minimale oder maximale Gebäudehöhe, geschlossene oder offene Bauweise, Vorgarten und die Form des Daches sind der Grundstock des Ortsbilds und in den Bebauungsplänen so klar definiert, dass es hierüber zumeist nicht zu Diskussionen kommt.Gibt es klar definierte Vorschriften über Materialitäten, Fenstergrößen und Proportionen und z.B. Dachfenster, wie dies in historischen Ortskernen oft der Fall ist, finden wir als Architekt*innen also ausreichend „Spielregeln“ vor, so können wir uns bei unserer Arbeit gut daran orientieren und diese einhalten. Schwierig wird die Situation für uns, wenn bei der Planung auf das „Ortsbild“ oder das „örtliche Stadtbild“ Rücksicht genommen werden muss, dieses gewünschte Bild aber nicht genau festgeschrieben ist und die Erwartungen von Politik, Behörde, Bauherr*in und Architekt*in divergieren.
In diesem Fall entsteht die Situation, welche der Fragestellung zu Grunde liegt: Was kann die Behörde vorschreiben? Hierbei ist unser Fingerspitzengefühl, unsere Erfahrung, aber auch manchmal unser Mut gefragt, sich über eingefahrene Konventionen hinwegzusetzen. Die Funktion der Behörde ist es, den politischen Willen zu vertreten, also das demokratische Interesse. In der Regel ist eine konsensuale Abstimmung des Entwurfs mit den Fachleuten der Behörde möglich. Aber oft müssen wir später bei der Bauverhandlung feststellen, dass insbesondere bei den Anrainer*innen jegliche Veränderung negativ empfunden wird. Hier wird meist das zu bewahrende Ortsbild als Zweckargument vorgeschoben – auch wenn das Projekt dem Bebauungsplan, also dem „beabsichtigten Ortsbild“, entspricht.